Günther Aigner, Wolfgang Gattermayr
Artikel für den „Schöpf Blog“
Tirol, am 15. März 2023

Der aktuelle Winter geht nun auch in den Alpen langsam, aber sicher zu Ende – und wir können eine erste Bilanz ziehen. So lässt sich am Beispiel von Kirchberg in Tirol (830 m) der heurige Winter exemplarisch in längere Zeitachsen einordnen. Diese Daten sind rein regional zu betrachten und dürfen nicht überinterpretiert werden. Zugleich sind sie bis zu einem gewissen Grad repräsentativ für viele Wintersportorte im Bereich der Nordalpen, welche sich in ähnlichen Staulagen sowie auf Seehöhen zwischen 700 und 900 Metern befinden – zum Beispiel Zell am See, Saalfelden, Kitzbühel, Reit im Winkl oder Ruhpolding.

Basis der Ausführungen sind Daten des Landes Tirol (Amt der Tiroler Landesregierung, Hydrographischer Dienst). Die Daten gehen bis zum Winter 1896/97 zurück. Die Messzeiträume für die hier abgebildeten Werte betragen jeweils ein ganzes Jahr – vom 01. September bis zum 31. August des Folgejahres. Schneefälle im Sommerhalbjahr – die zwar selten sind, aber vorkommen – sind somit ebenfalls in den Daten enthalten. Die Messungen werden täglich um 07.00 MEZ durchgeführt.

Jährlich größte Schneehöhen

Der Parameter „Jährlich größte Schneehöhe“ listet für jeden Winter seit 1896/97 den größten Wert der täglichen Messungen der Schneehöhe vom 01. September bis zum 31. August des Folgejahres auf.

Abbildung 1 zeigt den Verlauf der jährlich größten Schneehöhen in Kirchberg von 1896/97 bis 2022/23. Bei einer Zeitspanne von 127 Jahren beträgt der Mittelwert 81 cm. Die Extremwerte in der Messreihe finden sich 1906/07 und 1967/68 mit jeweils 150 cm und 2022/23 mit lediglich 22 cm. Wenn nicht noch unerwartet spätwinterliche ergiebige Schneefälle einsetzen, sehen wir im laufenden Messjahr 2022/23 ein neues Minimum bei den „größten Schneehöhen des Winters“ innerhalb der vergangenen 127 Jahre.

Ebenfalls ist das gleitende 10-jährige Mittel (grüne Kurve) mit 55 cm auf einem Allzeit-Tief („Minimum“). Die Trendlinie (rot gepunktet) sinkt mit einer Rate von etwa 10 cm pro 100 Jahre.

Abb. 1: Die jährlich größten Schneehöhen in Kirchberg in Tirol von 1896/97 bis 2022/23.
Daten: Amt der Tiroler Landesregierung (Hydrographischer Dienst). Stand: 16.03.2023

Tage mit natürlicher Schneebedeckung pro Jahr

Der Parameter „Tage mit natürlicher Schneebedeckung pro Jahr“ enthält die Summe aller Tage, an denen im Zuge der 7-Uhr-Terminmessung eine Schneehöhe an der Station beobachtet wurde, und zwar vom 01. September bis zum 31. August des Folgejahres. Das Messfeld ist völlig unbeeinflusst von der technischen Beschneiung der Skipisten. Es wird ausschließlich Naturschnee gemessen.

Abbildung 2 zeigt die Tage mit natürlicher Schneebedeckung in Kirchberg von 1903/04 bis 2022/23. Bei einer Zeitspanne von 120 Jahren beträgt der Mittelwert 121 Tage. Die Extremwerte in der Messreihe finden sich 1943/44 mit 165 und 1911/12 mit lediglich 69 Tagen. Im laufenden Winter 2022/23 könnten noch weitere Tage mit Schnee zum Morgentermin dazukommen. Das gleitende 10-jährige Mittel (grüne Kurve) ist mit 108 Tagen ebenfalls auf einem Allzeit-Tief („Minimum“). Die Trendlinie (rot gepunktet) ist statistisch unverändert – was einigermaßen überraschend ist.

Abb. 2: Die Anzahl der Tage mit natürlicher Schneebedeckung pro Jahr in Kirchberg in Tirol von 1903/04 bis 2022/23. Daten: Amt der Tiroler Landesregierung (Hydrogr. Dienst). Stand: 16.03.2023  

Neuschneesumme pro Jahr

Der Parameter „Neuschneesumme pro Jahr“ beschreibt die Summe der täglichen Neuschneehöhen bei der morgendlichen 7-Uhr-Messung vom 01. September bis zum 31. August des Folgejahres. Das Messfeld ist völlig unbeeinflusst von der technischen Beschneiung der Skipisten. Es wird ausschließlich der gefallene Naturschnee gemessen.

Abbildung 3 zeigt die Neuschneesummen in Kirchberg von 1960/61 bis 2022/23. Bei einer Zeitspanne von 63 Jahren beträgt der Mittelwert 324 cm. Die Extremwerte in der Messreihe finden sich 1981/82 mit 598 und 1971/72 mit lediglich 128 cm.

Das gleitende 5-jährige Mittel (grüne Kurve) verläuft unauffällig. Die Trendlinie sinkt ab, allerdings ist der Beobachtungszeitraum von 63 Jahren nicht allzu lang. Man sollte diesen Chart somit nicht überbewerten und schon gar keine Klimawandeldiskussion darauf aufbauen. Für den Wintersport ist dieser Chart jedoch umso wertvoller, zeigt er doch den Schneereichtum der einzelnen Winter seit dem allmählichen Beginn des Massenskilaufs.

Abb. 3: Die Summe der täglichen Neuschneehöhen pro Jahr in Kirchberg in Tirol von 1960/61 bis 2022/23. Daten: Amt der Tiroler Landesregierung (Hydrographischer Dienst). Stand: 16.03.2023

Schlusswort

Der Winter 2022/23 war aus Sicht des Wintersports in weiten Teilen der Ostalpen enttäuschend. Praktisch überall – egal ob in den Tal- oder Gipfellagen – war er (viel) zu mild. Und er war flächendeckend niederschlags- und damit auch schneearm. So weisen selbst die vergletscherten Hochlagen der Ostalpen dramatisch geringe Schneezuwächse auf.

Besonders schneearm war der laufende Winter in den typischen Nordstaulagen der Ostalpen. Exemplarisch ist dies an den Kirchberger Schneedaten gut erkennbar, die in ihrer 127-jährigen Beobachtungsreihe einem neuen Minimum entgegengehen, sollte sich nicht noch ein meteorologisches „Wunder“ ereignen. Gleichzeitig erstaunt bei den Kirchberger Schneedaten ein langfristig nur moderater Abwärtstrend: So sinken die jährlich größten Schneehöhen über den gesamten Messzeitraum mit einer Dynamik von „nur“ etwa 10 cm pro 100 Jahre, während die Trendlinie bei den Tagen mit Schneebedeckung statistisch unverändert geblieben ist.

Limitationen

Das verwendete Datenmaterial ist nicht homogenisiert und erst seit 1965 einer Plausibilisierung zugeführt worden. Die vor 1965 eingesetzten Schneedaten haben weitgehend den Status von Rohdaten. Der Winter 2022/23 ist bis zum 16. März berücksichtigt. Es handelt sich somit um eine vorläufige Bilanz.

Datenquelle

Die Schneedaten von Kirchberg in Tirol werden vom Amt der Tiroler Landesregierung (Hydrographischer Dienst) erhoben und können dort abgefragt werden.

Zu den Autoren

Günther Aigner (* 1977 in Kitzbühel) ist einer der führenden Zukunftsforscher auf dem Gebiet des alpinen Skitourismus im deutschsprachigen Alpenraum. Mit dem 2013 gegründeten Unternehmen ZUKUNFT SKISPORT bietet er Beratungs- und Marketingdienstleistungen auf der Basis von „Forschung aus der Praxis für die Praxis“. ZUKUNFT SKISPORT möchte als Bindeglied zwischen dem akademisch-wissenschaftlichen Denkraum und den alpintouristischen Praktikern verstanden werden. Hierbei wird ein ganzheitlicher und interdisziplinärer Ansatz verfolgt. Günther Aigner gibt sein Wissen als Gastlektor an Hochschulen in Europa und Asien weiter. Außerdem nimmt er in den Medien als Experte am öffentlichen Diskurs teil. Als „Speaker“ hält er Fachvorträge im In- und Ausland.

HR Dr. Wolfgang Gattermayr (* 1949 in Linz) studierte Meteorologie und Geophysik an der Universität Innsbruck. Von 1994 bis 2014 leitete er den Hydrographischen Dienst Tirol. Zu seinen beruflichen Hauptaufgaben gehörte die Datenerhebung von hydrometeorologischen Messwerten. Gattermayr gilt als Spezialist für die Plausibilisierung von Altdaten im hydrometeorologischen Bereich.

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